Liebe Kollegin, lieber Kollege,
am 21. Juni 2025 um 4:42 Uhr deutscher Zeit erreicht die Sonne ihren höchsten Stand über der Nordhalbkugel – die Sommersonnenwende markiert nicht nur den längsten Tag des Jahres, sondern auch einen Moment der Reflexion über die jahrtausendealte Beziehung zwischen Architektur und Himmelsmechanik. In einer Zeit, da deutsche Architekturbüros vor der gewaltigen Aufgabe stehen, bis 2045 klimaneutral zu bauen, lohnt der Blick zurück zu jenen steinzeitlichen Baumeistern, die bereits vor 5.000 Jahren Newgrange und Stonehenge präzise nach astronomischen Koordinaten ausrichteten.
Von megalithischen Sonnenkalendern zur smarten GebäudehülleDie irische Grabanlage Newgrange, älter als die Pyramiden von Gizeh, demonstriert eine Präzision, die moderne Lichtplaner in Ehrfurcht versetzen könnte: Zur Wintersonnenwende flutet für exakt 17 Minuten ein Sonnenstrahl die 19 Meter lange Kammer und illuminiert die Spiralgravuren der Rückwand. Was unseren neolithischen Kollegen vor fünf Jahrtausenden gelang, ist nichts Geringeres als die perfekte Inszenierung von Tageslicht als emotionales und spirituelles Gestaltungsmittel.
Stonehenge, dieser steinerne Sonnenkalender auf der Ebene von Salisbury, beweist, dass bereits die Jungsteinzeit komplexe geometrische Kenntnisse besaß – 2.000 Jahre bevor die Griechen den Begriff Mathematik definierten. Der Heel Stone rahmt bis heute punktgenau den Sonnenaufgang zur Sommersonnenwende ein, während die 30 Sarsen-Steine des äußeren Kreises als präzises Kalendersystem funktionierten. Jeder Stein repräsentierte einen Tag innerhalb eines Monats, unterteilt in drei Zehntage-Wochen.
Diese steinzeitlichen Bauwerke lehren uns eine fundamentale Wahrheit: Architektur war niemals nur Schutz vor den Elementen, sondern stets Dialog mit dem Kosmos.
Baukunst im LichtzeitalterWährend unsere Vorfahren Stonehenge errichteten, um den Rhythmus der Jahreszeiten abzulesen, stehen deutsche Architektinnen und Architekten heute vor der Herausforderung, Gebäude zu entwerfen, die sowohl energetisch als auch emotional mit der Sonne kommunizieren. Die Schweizer Norm...
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Herzlichst
Stuart Stadler
Architekt