
Bauen unter Merz: Was Architektinnen und Architekten von der neuen Regierung erwarten dürfen
Die neue Regierungskoalition hat ihren Fahrplan vorgestellt. Für die Architektur- und Bauwelt bedeutet das: Aufbruch mit vielen Fragezeichen – und einer klaren Botschaft: Das Bauen soll schneller, einfacher und digitaler werden.
Ein Ministerium bleibt – das Tempo soll steigen
Wer dachte, das Bauministerium könnte erneut im Verkehrsressort verschwinden, liegt falsch: Die neue Bundesregierung bekennt sich klar zum eigenständigen Ministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen – und überlässt es erneut der SPD. Damit wird das 2021 geschaffene Ressort verstetigt. Ob Klara Geywitz im Amt bleibt, ist noch offen, doch ihre Chancen stehen gut.
Diese Personalie mag zunächst marginal erscheinen, doch sie ist programmatisch bedeutsam: Ein eigenständiges Ministerium ist Signal und Hebel zugleich – ein Bekenntnis zur politischen Relevanz des Bauens in Zeiten der Wohnungskrise und Klimawende.
Genehmigungen: Weniger Hürden, mehr Tempo
Die neue Regierung will „mutige Wege“ beschreiten – ein Zitat, das man nicht alle Tage im Verwaltungsdeutsch eines Koalitionsvertrags liest. Gemeint ist die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, für die man eine umfassende Reform ankündigt: Vom Umwelt- über das Vergabe- bis zum Bauplanungsrecht sollen alle relevanten Regelwerke überarbeitet werden.
Konkret heißt das: Verfahrensstufen sollen reduziert, formalisierte Abläufe flexibilisiert und einheitliche Regelwerke für Infrastrukturvorhaben geschaffen werden. Besonders praxisrelevant für Planende dürfte die Einführung einer „verbindlichen Stichtagsregelung“ sein – Anträge gelten künftig als genehmigt, wenn die Behörde nicht rechtzeitig reagiert. Das Versprechen: Kein Aktenpingpong mehr zwischen den Ämtern. Ein Verfahren beginnt und endet künftig im selben Rechtsrahmen.
Wohnungsbau-Turbo: Absicht trifft Realität
Bereits innerhalb der ersten hundert Regierungstage soll ein „Wohnungsbau-Turbo“ gezündet werden. Steuerliche Anreize, Investitionsoffensiven und Bürokratieabbau sollen den Weg für kostengünstiges Bauen ebnen. Die Vision: Wohnungen unter 15 Euro pro Quadratmeter – insbesondere in angespannten Märkten.
Der Gebäudetyp-e, bislang eher theoretisches Modell, soll breitere Anwendung finden. Parallel verspricht die Koalition, dass künftig das Abweichen von den anerkannten Regeln der Technik nicht mehr automatisch als Mangel gilt – eine Formulierung mit gewaltiger Tragweite für Haftung und Planungspraxis.
Klimaziele: Worte ohne Maßnahmen?
Dass der Gebäudesektor zentral für das Erreichen der Klimaziele ist, wird anerkannt. Doch konkrete Instrumente fehlen. Ein neues Gebäudeenergiegesetz (GEG) soll das umstrittene „Heizungsgesetz“ ablösen – einfacher, technologieoffener, flexibler. Was das genau bedeutet, bleibt offen.
Zwar kündigt der Vertrag ein Bundesforschungszentrum für klimaneutrales Bauen an – doch Begriffe wie „Bauwende“, „Umbaukultur“ oder eine Strategie gegen Ressourcenvernichtung durch Abriss sucht man vergebens. Nachhaltigkeit bleibt Überschrift, aber selten Substanz.
Entlastung mit Tücken: Steuerpolitik für Büros
In der Steuerpolitik steckt Potenzial, aber auch Ernüchterung. Planungsbüros – meist kleine oder mittlere Unternehmen – sollen profitieren, doch viele Maßnahmen greifen zu spät oder zu oberflächlich.
So wird etwa die Körperschaftsteuer für GmbHs ab 2028 schrittweise gesenkt. Eine Einkommensteuererleichterung für Partnerschaftsgesellschaften ist zwar geplant, greift aber erst zur Legislaturhalbzeit. Der Effekt bleibt ungewiss.
Auch das Optionsmodell, das Personengesellschaften zur Körperschaftsteuer wechseln lässt, soll vereinfacht werden. Was genau das heißt, bleibt abzuwarten. Kurz: Vieles ist Absichtserklärung – für Planungssicherheit braucht es mehr.
Kommunale Aufträge: Hoffnung auf Entschuldung
Die öffentliche Hand ist größter Auftraggeber im Bau. Doch viele Kommunen sind hochverschuldet und kaum handlungsfähig. Das will die Koalition ändern: 250 Millionen Euro jährlich stellt der Bund bereit, um besonders betroffene Städte bei der Entschuldung zu unterstützen.
Besonders für Architektinnen und Architekten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, wo die kommunale Verschuldung besonders ausgeprägt ist, könnte das zu spürbar mehr Ausschreibungen führen. Voraussetzung: Die Umsetzung gelingt – anders als bei früheren Vorhaben.
Die HOAI: Noch nicht drin, aber in der Pipeline
Explizit taucht sie im Vertrag nicht auf – doch plant die Bundesregierung eine Novelle der HOAI noch in 2025. Das Ziel: Honorarsteigerungen, die die gestiegenen Büro- und Personalkosten abfedern.
Ein Vorhaben, das dringend notwendig erscheint – doch auch hier gilt: Entscheidend wird sein, wie zügig und mutig die Regierung tatsächlich agiert. Denn das europäische Vergaberecht, an dem sich die HOAI künftig orientieren muss, bleibt ein komplexes Feld.
Lob und Kritik: Die Branche reagiert
Die Bundesarchitektenkammer bewertet den Vertrag als gelungen: „Er benennt die Herausforderungen und setzt die Rahmenbedingungen für ihre Bewältigung“, so Präsidentin Andrea Gebhard. Die IG BAU sieht sogar eine „Konjunkturlokomotive“ auf den Gleisen.
Kritischer fällt das Urteil des Eigentümerverbands Haus & Grund aus. Präsident Kai Warnecke sieht im Vertrag wenig Neues, sondern eher eine Fortschreibung der Vergangenheit. Der Bauherren-Schutzbund wiederum warnt vor den juristischen Folgen der geplanten Mangeldefinition.
Fazit: Ambitionen mit Schatten
Der Koalitionsvertrag 2025 ist ein Dokument des Pragmatismus mit punktuellen Ambitionen. Für Architektinnen, Planer und Bauunternehmen enthält er durchaus Hoffnungen – beschleunigte Verfahren, steuerliche Entlastung, stärkere kommunale Investitionen.
Doch vieles bleibt im Konjunktiv. Die angekündigten Entbürokratisierungsoffensiven, Steuerreformen und Klimaziele brauchen einen langen Atem – und klare gesetzgeberische Umsetzung. Denn ein Turbo allein reicht nicht. Die Straße muss auch frei sein.

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